26. April 2024

Fürstenberg und Bad Karlshafen

Die deutsche Märchenstraße

Ein letzter Ausflug, bevor die um sich greifende Pandemie das öffentliche Leben eingestellt hat, führte mich erst nach Fürstenberg und dann nach Bad Karlshafen. Beide Orte liegen an der Deutschen Märchenstraße.

Das Museum Schloss Fürstenberg

Seit dem Jahre 1774 ist die Porzellanmanufaktur in einer alten mittelalterlichen Burg beheimatet, die hoch über der Weser thront. Bevor sie zur Manufaktur wurde, war sie das Jagdschloss der Braunschweiger Herzöge.

Die aktuelle Ausstellung stammt aus dem Jahre 2017. Dass sie “nach 2015” konzipiert worden war, fiel mir schon dadurch auf, dass dort das inflationär gebrauchte Modewort “Vielfalt” in unsinnigsten Kontexten Verwendung findet.

Ich meine, dass das Museum eine solche Anbiederung an den politisch korrekten Zeitgeist nicht nötig hätte, ist nicht schließlich das, was gezeigt wird, vollkommen jenseits der heutigen Couch- und “Lieferando”-Kultur angesiedelt. Das Porzellan hatte seine Hochzeit in einer Epoche, wo die Dienstmädchen den Tisch deckten und die Lakaien bedienten. Mit dem Niedergang des Adels rettete sich die Tischkultur noch in die bürgerliche Epoche und selbst die Arbeiterhaushalte der städtischen Industrialisierung kannten noch die “gute Stube”, in der nur, wenn denn Besuch da war, gegessen werden durfte. In den Einfamilienhäuser der 60er und 70er Jahre wurde noch das Kaffeegedeck zelebriert, doch jetzt gibt es zwar “Food Porning” auf Instagram, dahinter verbirgt sich aber nur noch eine zur Schau gestellte Leere. Es wird dekoriert, um zu fotografieren, nicht aber um ein gemeinschaftliches Zusammensein zu pflegen.

Mir hat es jedenfalls sehr viel Freude bereitet, die schönen Tischdekorationen mit ihren Blumendekorationen im Museum Fürstenberg zu betrachten und zu genießen. Eine Renaissance der Tischkultur kann ich mir jedoch nur in Kreisen vorstellen, die dem Zeit-Diktat der Gegenwart nicht unterliegen. Ich gehöre leider nicht dazu.

Fürstenberg ist die zweitälteste Porzellanmanufaktur nach Meißen. Dort hatten Johann Friedrich Böttger und Ehrenfried Walther von Tschirnhaus, auf der alchemistische Suche nach der künstlichen Goldherstellung und unter dem Zwang von August des Starken, dem sächsischen Herrscher, das Rezept für die Porzellanherstellung aus Kaolin, Feldspat und Quarz entdeckt.

Von nun an musste das Porzellan, was eine originär chinesische Erfindung ist, nicht mehr aus Asien eingeführt werden, sondern konnte in Deutschland hergestellt werden.

Das Schaumagazin in Fürstenberg gibt Einblick in eine jahrhundertealte Porzellankultur. In dieser “Wunderkammer” entdeckt man immer wieder neue Kuriositäten, sodass es sich lohnt, hier etwas länger zu verweilen.

Danach ging es noch zum “Werksverkauf”, wo hochpreisige Produkte angeboten wurden, die in ihrer “Exklusivität”, sei sie nun gerechtfertigt oder nur eine Projektionsfläche für solvente Kunden, ein Marktsegment, jenseits der Billigimporte aus Fernost, bedient.

Gasthaus Eulenburg

Nun war es Zeit Einkehr zu halten. Das Gasthaus Eulenburg liegt nicht allzu weit von Fürstenberg entfernt. Kulinarisch war es sicherlich kein Höhepunkt. Ich vermute hier die überwiegende Verwendung von Convenience-Produkte aus dem Gastronomie-Sorglospaket. Die Portion war auch eher knapp bemessen. Der Preis jedoch war nicht allzu hoch, sodass ich die Leistung insgesamt als “in Ordnung” bezeichnen würde. Die Aussicht auf die Weser ist bezaubernd, ganz besonders dann, wenn man bei wärmeren Temperaturen, als ich sie hatte, draußen verweilen kann. Die Bedienung war freundlich. Fazit: Kann man machen, muss es aber nicht!

Bad Karlshafen

Weiter ging es, bei schönstem Frühlingswetter, nach Bad Karlshafen.

Bad Karlshafen liegt am nördlichsten Ausläufer des Bundeslandes Hessens und da Hessen bereits vor Niedersachsen die Schließung der Museen aufgrund der Pandemie verfügt hatte, stand ich vor den verschlossenen Türen des Hugenottenmuseums. Ich verschiebe meinen diesbezüglichen Besuch also auf einen späteren Zeitpunkt.

Bad Karlshafen, 1699 von Landgraf Karl von Hessen-Kassel als eine Ansiedlung von Glaubensflüchtlingen aus Frankreich, hauptsächlich Hugenotten und Wallender, gegründet, sollte an der Mündung der Diemel in die Weser gelegen, dazu dienen, den hannoverschen Hafen und Stapelplatz Münden auf dem Weg von Kassel nach Bremen zu umgehen. Dies sollte Zoll einsparen.

Bad Karlshafen ist als Tor zur Landgrafschaft Hessen nach Plänen des Landgrafen und in der Ausarbeitung von Friedrich Conradi angelegt worden.

Der Hugenottenturm

Auf einem Sporn der Hessischen Klippen liegt der Hugenottenturm, der sich zu Fuß, von der Innenstadt von Bad Karlshafen aus, erwandern lässt. Nachdem die Diemel-Brücke überquert ist, geht es an den recht anstrengenden Aufstieg. Gut jedoch, dass an den Punkten der größten Erschöpfung, jeweils Bänke stehen.

Der Hugenottenturm, 1913 eingeweiht, ist im Stil einer Ruine gebaut worden und entspricht dem wilhelminischen Zeitgeist. Bevor es eine Wendeltreppe hinauf geht, durchquert man eine Räumlichkeit, die einst sicherlich für Feierlichkeiten genutzt wurde.

Vom Hugenottenturm aus hat man eine spektakuläre Aussicht auf Bad Karlshafen. Gut zu erkennen ist von hieraus das Hafenbecken und die streng geometrische Ausrichtung der Häuserzeilen, dem der rechte Winkel zugrunde liegt.

Die Stadt bildet eine barocke Schlossanlage ab, “in der die Hauptwege durch Kanäle und Hafen ersetzt und die Flügelgebäude von bürgerlichen Familien bewohnt wurden. Der Ort besteht aus Baublocks (‘Carrés’) seitlich des Hafens und mehreren langen Reihenhäusern, die diese Carrés rahmen und sie gegen die Weser und den Kanal abgrenzen.” (Großmann, G. Ulrich/Hoppe, Katharina: Nördliches Hessen, Köln 1991, S. 159 f.)

Auf zum Kurpark!

Zurück in Bad Karlshafen schlendere ich noch am Invalidenkrankenhaus vorbei. Ein kurzer Blick auf die Speisekarte des Hotels zum Schwan lässt mich darüber sinnieren, ob es nicht besser gewesen wäre, hier zu speisen? Ich weiß es nicht. Am Rathaus und am Hafenbecken vorbei geht es zu dem direkt an der Weser gelegenen Kurpark. Mir fällt der Leerstand vieler Geschäfte auf. Auch das Kurparkhaus sieht verweist aus. Diese Stadt hat eindeutig schon bessere Tage gesehen! Eine Rehaklinik, das Carolinum, versprüht den architektonischen “Charme” der 70er Jahre. Mit den Pfeilern macht es gar Anleihen bei Le Corbusier und wurde sicherlich, lange ist es her, irgendwann einmal als modern angesehen, jetzt wirkt es nur noch in die Jahre gekommen. Immerhin gibt es im Kurpark ein Gradierwerk. Das Salzwasser fließt beständig hinab, verdunstet und ich setzte mich auf eine Bank und atme die salzhaltige Luft ein. Wohltuend!

Der Ort ist bezaubernd und hat sehr viel Potential: Es ist eine Perle, die in Vergessenheit geraten ist, ein Schicksal, was Bad Karlshafen mit vielen anderen deutschen Kurstädten teilt. Leider!

Entschleunigung durch das Coronavirus

Jetzt habe ich mich zurückgezogen und verlasse nur noch das Haus zu Spaziergängen oder zum Einkauf. Etwas melancholisch denke ich deshalb an meinen Ausflug nach Fürstenberg und Bad Karlshafen zurück.

Meine Rügen-Reise, die ich zu Ostern geplant hatte, musste ich absagen, kann aber nun mein inneres Rügen bereisen, indem ich den Spuren derjenigen folgen, die sich von der dortigen Landschaft haben beeinflussen haben. Dies geht dann, ganz entspannt, auch vom Balkon aus, vorausgesetzt jedoch, dass das Wetter mitspielt und die Nachbarn nicht allzu laut sind.

Innere Reisen haben jetzt Vorrang vor Entdeckungen im Außen.

Von den Reisen des vergangenen Jahres gibt es jedoch noch einiges zu berichten, sodass ich hoffe, dass hier in nächster Zeit der ein oder andere Artikel online gehen kann. Bleiben Sie mir treu. Man kann auch in Gedanken reisen.

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