19. Mai 2024

Münchhausen in Agfacolor

Kürzlich lief auf Arte der UFA Klassiker Münchhausen.  Was für ein fantastisch-abgedrehter Film!

Interessanterweise kann ich mir, trotz seines Alters, noch immer ansehen und dabei im Filmgenuss schwelgen. Nicht bei allen Filmen funktioniert das. So wollte ich mir letztens mal wieder “Momo”  anschauen, musste  dann aber bereits nach den ersten 10 Minuten ausschalten, weil mir das alles doch viel zu albern vorkam.

Ganz anders beim Münchhausen-Film. Während des Schauens stiegen bei mir ganz langsam wieder Erinnerungen auf, hatte ich diesen Film ja in meiner Kindheit schon  gesehen, aber alles vergessen, vor allem war mir überhaupt nicht mehr bewusst, wie  kreativ dieser Film ist, der sich nur grob an die Münchhausen-Vorlage hält, ansonsten aber einen wilden Plot aufbaut, der zwischen der Gegenwart und der märchenhaften Vergangenheit hin und her springt und so die lineare Zeiterfassung außer Kraft setzt.

Erich Kästner hat übrigens Regie geführt. In Dresden, wo er aufgewachsen ist, gibt es  im Haus seines Onkels ein Museum, was seinen literarischen Schaffen gewidmet ist. Eine Figur, die Erich Kästner Kindheits-Ich darstellt, sitzt frech auf der Grundstücksmauer. Als ich vergangenen Samstag in Dresden war, ist der rote Doppeldeckerbus der Stadtrundfahrt daran vorbeigefahren.

Doch zurück zum Münchhausen-Film, der mich  in seiner ästhetischen Farbgestaltung und auch inhaltlich an dem DEFA Klassiker “Der kleine Muck” erinnert.  “Der kleine Muck” zeigt, genauso wie “Münchhausen” eine oppulent-kreative Fülle und eine märchenhafte Sicht auf den Orient, der uns heute, angesichts der düsteren Frauenverschleierungen in unseren Städten, seltsam bizarr vorkommt.

Beide Filme sind in Agfacolor gedreht worden, was – meiner Meinung nach – beim Betrachter eine realitätsfern-warme Atmosphäre erzeugt.

Auch der deutschen Realität  würde ein wenig Agfacolor gut zu Gesicht stehen.

Was ist aber Agfacolor? 

In den USA dominierte als erstes filmische Farbverfahren Technicolor, abgelöst von Kodachrome und Eastmancolor. In Deutschland dagegen wurden in den späten 1930er Jahren viel Geld und viele Hoffnungen in das Negativ/ Positiv-System von Agfacolor investiert.

Agfacolor endete in den 1950er Jahren. Gert Koshofer hat das genauer in dem Buch „Color. Die Farben des Films“ (1988) dargestellt. Ich habe es mir antiquarisch bestellt und bin schon gespannt darauf, mehr über dieses Verfahren zu erfahren. Mir gefällt jedenfalls die Farbgebung in den Agfacolor-Filmen.

Jetzt, wo das Fernsehen so unsäglich schlecht geworden ist, wahlweise nur noch Propaganda oder das Krakeelen der Unterschicht in Scriped Reality-Formaten bringt,  werde ich mich, falls ich denn überhaupt noch Filme sehen möchte,  verstärkt den Filmschätzen der Vergangenheit zuwenden.

Venedig kommt als Handlungsort im Münchhausen-Film übrigens auch vor und ist- wie könnte es anders sein – während der  Karnevalszeit zu sehen.

Mir sind die Bezüge zwischen den Münchhausen Film und Dresden und Venedig  besonders aufgefallen, weil ich ja beide Orte erst unlängst besucht habe. Die menschliche  Aufmerksamkeit richtet sich ja immer auf bekannte Anknüpfungspunkte aus, weswegen Reisen  ja unbestritten bildet.   In Dresden war ich letzte Woche, in Venedig Ende Oktober. Von meiner Venedig-Reise berichte ich u.a. hier.

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